Die Paradoxen (Fortsetzung)

Juni 25, 2009

Retrokausalität

Retrokausalität oder Rückwirkung ist ein hypothetisches Phänomen, welches voraussetzt, dass ein Ereignis vor seiner Ursache eintritt. Es ist in erster Linie ein Gedankenkonstrukt, das sich mit der Frage beschäftigt, ob die Zukunft die Gegenwart beeinflusst, und ob die Gegenwart die Vergangenheit beeinflusst.

Ein klassisches Beispiel der Retrokausalität ist eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Ein Bekanntes Beispiel: die Geschichte von Oedipus. Die Eltern des Jungen befragen ein Orakel und es prophezeit, dass Oedipus seinen Vater töten und seine Mutter heiraten wird. Um dies zu vermeiden, schickt sein Vater Oedipus gleich nach der Geburt weg. Deswegen weiß Oedipus nicht, wer seine richtigen Eltern sind. Er trifft zufällig seinen Vater und tötet ihn im Streit. Danach heiratet er auf einigen Schicksalsumwegen seine eigene Mutter.

Die Retrokausalität stellt den Ausgangspunkt in „Paycheck“ dar. Die Zukunft, die Jennings im Spiegel sieht, beeinflusst direkt die Gegenwart: er beschließt, diese Zukunft zu verändern. Die Ereignisse in der Zukunft sind also die Ursache für das, was ab jetzt in der Geschichte passiert. Die Frage, ob die Zukunft die Gegenwart beeinflussen kann, ist hiermit beantwortet. Allerdings gibt es hier keine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Hier führen die Ereignisse nicht zu derselben Zukunft, die diese Ereignisse verursacht hat, sondern zu einer alternativen. Hiermit wären wir bei den anderen Aspekten der Zeitreise.

 

Der Schmetterlingseffekt

In komplexen, dynamischen Systemen besteht eine große Empfindlichkeit auf kleine Abweichungen in den Anfangsbedingungen. Geringfügig veränderte Anfangsbedingungen können im langfristigen Verlauf zu einer völlig anderen Entwicklung führen. Die Bezeichnung Schmetterlingseffekt stammt von einer bildhaften Veranschaulichung dieses Effekts von Edward N. Lorenz am Beispiel des Wetters:

„Predictability: Does the flap of a butterfly’s wings in Brazil set off a tornado in Texas?“ (Edward N. Lorenz : „Vorhersagbarkeit: Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?“ Science 320, 2008, S. 431.)

 

Parallelwelt

Man reist in die Vergangenheit, um jemandem das Leben zu retten, hat dabei Erfolg und kommt zurück, nur um herauszufinden, dass sich nichts verändert hat. Man hat durch den Eingriff in die Zeit also eine Parallelwelt erschaffen, die als ein zweiter Zeitstrang neben dem ersten existiert.

 

Der Beobachter-Effekt

Man reist in die Vergangenheit und verändert sie, aber die einzige Person, die zwischen der alten und der neuen Zukunft unterscheiden kann ist der Zeitreisende selbst. Das Ausmaß des Effektes zeigt sich darin, wie sehr der Zeitreisende betroffen ist. Existiert er „außerhalb“ der Zeit, könnte er von den Veränderungen gar nicht betroffen sein und wird deswegen ein Fremder in seiner „neuen“ Zukunft. Er kann, zum Beispiel, seinen Großvater in der Vergangenheit töten und in die Zukunft zurückkehren, in der es keine Aufzeichnungen seiner Existenz gibt.

 

Wenn es um Zeitreisen geht, ist es schwierig, eine Grenze zwischen dem Schmetterlingseffekt, der Veränderung der Zukunft und der Erschaffung einer Parallelwelt zu ziehen. Der Schmetterlingseffekt bedeutet nur so viel, dass eine winzige Veränderung eine unvergleichbar größere mit sich ziehen kann. Insofern ist dieser Effekt die Ursache, die einen der zwei anderen Effekten mit sich ziehen kann.

Jennings sieht im Spiegel seine Zukunft. Zugegebenermaßen ist dies keine so kleine Tatsache, wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, aber es ist die Ausgangssituation. Jennings kennt seine Zukunft. Er will diese Zukunft verändern und erfindet eine Methode: er stellt eine Sammlung von Gegenständen zusammen, die ihm helfen, die Zukunft zu verändern. Damit hat Jennings eine Parallelwelt erschaffen: eine Welt, in der er nicht stirbt. Es kann sich hierbei nur um zwei parallel existierende Zeitstränge handeln, denn Jennings muss erfahren, dass er sterben wird, damit er sich die Gegenstände schickt. Schickt er sie nicht, wird er sterben. Die Ereignisse, die zu seinem Tod führen könnten, treten in jedem Zeitstrang auf, aber es gibt zwei unterschiedliche Endungen in dieser Situation. Den Zeitstrang, in dem Jennings stirbt, gibt es wirklich, sonst hätte er ihn nicht im Spiegel gesehen. Den Zeitstrang, in dem er nicht stirbt, gibt es dank Schmetterlingseffekt auch wirklich.

Wie sieht es mit dem Beobachter-Effekt aus? Genau genommen ist dieser Effekt mit der Erschaffung einer Parallelwelt gleichzusetzen. Durch eine Veränderung in der Vergangenheit wird ein neuer Zeitstrang erschaffen. Nur diesmal geht der Zeitreisende zurück in die Zukunft, aber nicht in seine eigene, sondern in diese neu erschaffene Parallelwelt, in der es von ihm keine Aufzeichnungen gibt. Nur er allein weiß, dass es eine Parallelwelt ist zu einer alternativen Zukunft.

Dasselbe passiert auch mit Jennings. Er kann sich zwar nicht erinnern, was er im Spiegel gesehen hat. Für ihn in seiner aktuellsten Form gibt es nur diesen einen Zeitstrang, in dem er mithilfe der Gegenstände überlebt. Allerdings weiß Jennings, dass es einen anderen Zeitstrang gegeben hat. Er weiß von dem Spiegel und er kommt von alleine darauf, auch ohne seine Erinnerungen. Jennings weiß also, dass er jetzt in einer Parallelwelt lebt, die unweigerlich neben der ursprünglichen Welt existieren muss, sonst hätte er sich die Gegenstände ja nicht geschickt. Er ist von den Veränderungen direkt betroffen und lebt ganz offensichtlich das neue Leben in dieser neuen Welt, aber er ist auch gleichzeitig der Beobachter, der von den Veränderungen und von der Existenz einer Parallelwelt weiß.

 Quellen:
http://en.wikipedia.org/wiki/Time_travel
Philip K. Dick: Paycheck

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